Kabinetttheater-Macherin Julia Reichert ist tot
Julia Reichert starb nach schwerer Krankheit am 29. Oktober 2024 in Wien. Geboren wurde Reichert 1950 in München als Tochter von Schauspieler Willy Reichert. Sie besuchte zunächst die Journalistenschule, wurde dann Buchhändlerin in München und lebte mit ihrem Mann, dem österreichischen Autor Helmut Eisendle, in Norditalien. In Graz gründete sie 1989 gemeinsam mit Christopher Widauer das Objekt- und Figurentheater, das 1996 in die Wiener Porzellangasse übersiedelte und ab 2010 von Reichert geleitet wurde. Der Theaterstandort im neunten Wiener Gemeindebezirk wurde wie ein Salon geführt, in dem Bühne, Zuschauerraum, Bar und Wohnung der Prinzipalin ineinander übergehen. Der Spielplan des Kabinetttheaters war vor allem der Minidramatik der Mitglieder der Wiener Gruppe und anderen experimentellen Literat*innen sowie dem avancierten Musiktheater gewidmet. Der liebevoll zu einem (preisgekrönten) Stadtgarten umgestaltete Innenhof in der Porzellangasse zeugt von Julia Reicherts unermüdlichem Gestaltungswillen.
2004 erhielt das Kabinetttheater den Nestroy-Preis für die beste Off-Theater-Produktion; 2019 wurde Julia Reichert mit dem Silbernen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet.